Warum Diversität für mich schon immer sehr wichtig war und ist

Ich hatte die großartige Chance, zu Beginn und über viele Jahre meiner Karriere international mit den verschiedensten Teams zu arbeiten. Diversität war daher für mich immer Normalität. Sehr schnell habe ich erfahren, wie unterschiedliche Meinungen und Erfahrungen die Qualität in einem Team und der Entscheidungsfindung unterstützen können.

Was ich auch feststellen konnte, ist, dass es sehr stark von der eigenen Sozialisierung abhängt, wie man Probleme angeht und verschiedene Blickweisen höchst hilfreich sind. Das war besonders wichtig, als ich die Verantwortung für die Informationskampagne zur Einführung des Euros im Publicis Eurobüro übernommen habe.

Publicis Groupe Paris hatte gerade die Ausschreibung der Europäische Zentralbank (EZB) gewonnen und suchte eine international erfahrene Führungspersönlichkeit, die ein solches Projekt realisieren kann. Nach mehreren Stufen eines Auswahlverfahrens wurde ich gefragt, ob ich diese „once in a lifetime“ Aufgabe übernehmen wolle. Ja!


Die Herausforderung der Euro-Einführung

Als Chefin des Publicis Eurobüros in Frankfurt stand ich mit dem Team vor der Aufgabe für alle Menschen, insbesondere in Europa, Banknoten vorzustellen und anschaulich zu machen, welche bis zu ihrer Veröffentlichung am 1.1.2002 nicht verfügbar waren.

Eine große Herausforderung, die die EZB mit den nationalen Zentralbankpartnern zu erfüllen hatte. Denn nur wenn es gelingt, sicherzustellen, dass es Vertrauen und Kenntnis zu diesen Banknoten in Gesamteuropa mit seinen damals 300 Millionen Menschen gibt, können wir auch sicherstellen, dass dieses Zahlungsmittel akzeptiert wird. Eine Aufgabe, die ich 2000 übernommen habe und die mit der Einführung am 1.1.2002 ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Doch was hat dieses Thema mit der Diversität und der Vielfalt von Teams zu tun?

Für mich war es, selbstverständlich, für diese Aufgabe Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen und Hintergründen in Frankfurt zusammenzuziehen und ein Kernteam aus 13 Nationen im Alter zwischen 18 und 67 Jahren aufzubauen. Ich bin mir heute absolut sicher, dass diese Vielfalt im Team, sowohl von Herkunft, Gender, aber auch Alter ein wesentlicher Erfolgsfaktor war. Und natürlich auch der sehr gute Teamspirit und das Zusammenspiel mit den beteiligten Agenturen und dem hervorragenden Kernteam der ECB.

Alle Aktivitäten zur Einführung des Euros konnten nie zuvor getestet werden noch gab es eine vergleichbare Blaupause. Wir mussten uns sehr klar darüber sein, ob wir glauben, dass wir mit der Strategie und den Maßnahmen erfolgreich sind, hierfür brauchten wir so viele Sichtweisen wie möglich – aber auch die Kraft der Entscheidung und Umsetzung.

Die Einführung des Euros hat mir auch die Chance gegeben, viele Länder der EU-Währungsunion zu besuchen und ihre Parlamente, Zentralbanken und Finanzminister kennenzulernen. Ich habe gesehen, dass alle den Euro als ihr Geld anerkannt haben, aber auch ihre Unterschiede pflegen.

Wie kommuniziere ich für Europa, dass vielfältiger nicht sein könnte?

Um für Europa, mit seiner 300 Millionen umfassenden Bevölkerung zu kommunizieren, mussten wir sicherstellen, dass die Kommunikation barrierefrei war und dass jeder Zugang zu den nötigen Informationen hatte. Wie sehen die Banknoten aus? Und wie vermeide ich, dass ich Falschgeld in die Hände bekomme?

Wichtig war herauszufinden, wo Informationslücken bestehen. Zum Beispiel Frauen, die sich um den Haushalt zuhause kümmern, hatten deutlich weniger Informationschancen als Männer, die häufig auch in ihren Berufen vorbereitet wurden.

Und auch die Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Europa ist viel höher als gedacht. So war es zum Beispiel notwendig, auch Sprachen wie Welch oder Gälisch aufzunehmen. Gleichzeitig haben wir auch ein paar Besonderheiten erfahren. Zum Beispiel, dass zu diesem Zeitpunkt die größte portugiesische Gruppe außerhalb Portugals in Europa in Luxemburg lebte. Somit haben wir in Luxemburg auch portugiesische Flyer und Poster verteilt.

Was ich damit sagen möchte, ist, dass dies für mich eine einmalige Gelegenheit war, die Diversität in Europa hautnah mitzuerleben. Mir wurde klar, dass eine Vorstellung einer homogenen Gesellschaft nicht existiert. Und es darum geht, die verschiedenen Gruppen und Bedürfnisse gut anzusprechen und abzuholen.

  • Bei der Einführung des Euros mussten wir die Informationslücken für verschiedene Zielgruppen schließen.

  • Wir haben auch die Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Europa berücksichtigt und angepasst und

  • Wir haben die Inklusion von Menschen mit Behinderung gefördert und ihnen die Banknoten nähergebracht.

Die Rolle als Frau in dieser Führungsaufgabe

Selbstverständlich habe ich auch erlebt, wie unterschiedlich meine Rolle als Frau in dieser Führungsaufgabe wahrgenommen wurde. Nur in Deutschland gab es einen Anruf eines wichtigen männlichen Protagonisten, ob es dann wirklich unser Ernst wäre, einer jungen Frau mit Mitte 30 diese unfasslich wichtige Aufgabe zu übertragen. Wohlgemerkt, ich wurde in einem Verfahren ausgewählt, und zwar aufgrund meiner Erfahrung, die ich schon als internationale Führungskraft hatte. Bei dieser Anfrage ging es offensichtlich nicht um die Qualifikation, sondern um Geschlecht :).

Diese Erfahrung hat sich zudem noch intensiviert. Als ich während der Einführung des Euros schwanger wurde und mein erstes Kind erwartet. Mein Sohn wurde 12 Tage nach dem 1.1.2002 geboren. Zu dieser Zeit war das Projekt sehr sichtbar und ich gab viele Interviews. Bei den internationalen Interviews z.B. mit Ad Age, Corriere della Sera, Le Mond oder Harald Tribune wurde ich nicht auf meinen Babybauch angesprochen.

Jedoch bei jedem Interview mit sichtbarer Schwangerschaft, dass ich in Deutschland gegeben habe, musste ich mich immer wieder fragen lassen, ob denn das jetzt ein Problem wäre.

Ich betrachte es heute als großes Glück nicht nur international tätig gewesen zu sein, sondern auch mein erstes Kind in einem internationalen Umfeld bekommen zu haben. Ich kam gar nicht auf die Idee, dass dies ein Problem sein könnte, und mir wurde dieser Gedanke auch nie nahegebracht.

Nur wenn man verschiedene Sichtweisen hat, wird einem klar, dass das, was in Deutschland in Bezug auf Mutterschaft und Frauen und Karriere betreiben wird, so nicht sein muss und es sehr unterschiedliche Ansatzpunkte gibt.

Die Bedeutung von Diversität für meine Arbeit

Was hat das nun alles mit dem zu tun, was ich heute tue?

Ich bin zutiefst überzeugt und habe es persönlich erlebt, dass diverse Teams in der Lage sind, unfassliche Leistungen zu erbringen. Ich habe auch gesehen, wie Diversität etwas ist, was man eigentlich als Normalität bezeichnen sollte, sowohl in Europa als auch in unserer Gesellschaft.

Diversität und Integration bedeuten aber auch, dass ich mir Gedanken darüber mache, wie ich Menschen erreiche und nicht verliere. Die Einführung des Euro wurde nicht nur positiv gesehen.

Wie ich mit den unterschiedlichsten Menschen kommuniziere, wie ich ein gewünschtes Verhalten, in diesem Fall das Beschäftigen mit Banknoten und das Verhindern von Fälschungen, initiieren kann, indem ich mich in die Situation dieser Menschen versetze und auf sie zugehe und mir überlege, wie ich die richtigen Informationen zugänglich mache.

Und was ich auch gelernt habe,

  • dass es verschiedene Wege und Möglichkeiten gibt, zu erfolgreichen Lösungen zu kommen,

  • es unterschiedliche Sichtweisen und Verhaltensweisen gibt, mit Frauen und Karriere und Schwangerschaft umzugehen,

  • und wie Vielfalt die Normalität ist.

Diese Erkenntnisse haben mich, nachdem ich als Geschäftsführerin für die Gruppe noch weitere vier Jahre gearbeitet hatte und dann sechs Jahre in einer deutschen Großbank tätig war, dazu inspiriert, im Jahr 2012 den FKi (Frauen-Karriere-Index) zu entwickeln.

Denn was ich auch gelernt habe, ist, dass die hohe Emotionalität sowohl in dem Thema Diversität, Integration und Karriere als auch in dem Thema Frauenquote nicht förderlich für ein gemeinsames Vorankommen ist. Wir brauchen Zahlen, Daten, Fakten. Wir brauchen verlässliche Grundlagen, um gemeinsam die Themen voranzubringen und zu diskutieren.

Danke fürs lesen meiner Kolumne!

Es war mir ein Bedürfnisse und an der Zeit darzulegen, dass Diversität nicht erst seit einigen Jahren ein wichtiger Faktor ist, sondern Vielfalt die Normalität ist!

Wir müssen uns aber auch die Mühe geben dies immer wieder zu erklären und anschaulich zu machen.

- Ihre Barbara Lutz


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Veränderung und darüber hinaus!